Piraten vor Somalia
zubringer, 15./16. Juli 2010, Pechon /Spanien
Piraten vor Somalia - Es ist nicht auszuhalten miterleben zu müssen, wie Bürgerliche, ehemals Protestanten, von denen man meinen möchte/erwarten darf, dass sie 1 Millimeter weiter denken als andere, der propagandistischen Schwarz-Weißmalerei der Wohlhabenden, der Medien1 für Wohlhabende aufsitzen. Die Wohlhabenden, Angst um ihre Mittel, Angst um ihr Hab und Gut, in permanenter Angst, jemand könnte ihnen etwas nehmen, jemand könnte ihnen auf die Schliche kommen. Die zunehmend auseinander klaffende Schere von Arm und Reich wird irgendwann zusammen schnappen. Die Mitttellosen werden aus ihrer Mittellosigkeit die nötige Energie und Kraft finden, sich aufzulehnen, sich zu nehmen, was ihnen gehört. Die Angst nimmt zu, zahllose Überwachungskameras, personal securitys, höher werdende Mauern um größer werdende Privatgrundstücke. Der Hass gegen die Großkonzerne mehrt sich. Die Unzufriedenheit um die Abhängigkeit, die Fremdbestimmung. Selbst die besser Verdienenden müssen sich als Sklaven ihrer Großunternehmen, in denen Arbeitsjahre, Erfahrung und Verdienst nicht mehr zählen, wiedererkennen. Die Angestellten spüren den Druck der Aktionäre, des kapitalistischen Wahns.
'Die bösen mafiosen Piraten vor Somalia, die high-end ausgestattet ihre Opfer ins Meer schmeißen.' Und das kleine Mädchen von 7 Jahren erzählt von einem Buch, das sie gelesen hat in der Schule, in dem eine Geschichte von einem Piraten handelte, der am Bein verletzt war und dem das Bein abgeschnitten werden musste. Daraufhin der Großvater: „Und, war das in Afrika oder in Asien?“ Darauf das Mädchen: „Ich glaube, in Asien.“ - „Hmhmm,“ die Großmutter: „Und, das war aber eine Geschichte oder, das hat vor vielen Jahren irgendwann stattgefunden....“. In welcher Welt leben diese Menschen? Welches Denken bestimmt ihre Gedanken? Welche Form der Reflexion hat bei ihnen ein- oder ausgesetzt? Welches sind die Transferleistungen, an denen es akut mangelt, welche Verbindungen möchten von ihnen lieber nicht gedacht werden, welche Konsequenzen lieber inkonsequent gehalten werden?
Der nächste Krieg wird keiner sein zwischen Ländern und auch nicht unbedingt zwischen Großmächten. Die nächst folgenden öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzungen werden die sein zwischen Wohlhabenden und Mittellosen, zwischen denen, die jetzt schon Angst um ihr Hab und Gut, um sich, ihr Ansehen, ihre Stellung haben, sich schon jetzt am laufenden Band gegenseitig decken und denjenigen, vor denen diese Angst zum Ausdruck kommt, für die sie sich in Überwachungskameras manifestiert. Welche Perspektiven sprechen aus dieser Angst, welches Wissen, welches ist die Sprache dieser Angst, wessen ist sie Ausdruck, welcher Bedeutung Bedeutungsträger? Ist es vielleicht das Wissen um die Unrechtmäßigkeit dieser Stellung, ist es ein schlechtes (Ge-)Wissen um die Machenschaften, welche zu ihrem Wohlstand geführt haben? Dem Privateigentum, ihrem Privateigentum? Bei aller Raffgier, bei allem kühlen Kalkül, bei jeder Leichenüberschreitung das geschlossene Auge, die geschlossenen Augen, vielleicht sogar, man möchte es nicht glauben, die zusammengekniffenen Augen. Man wollte sich selber lieber nicht dabei zusehen, wie man Gelder hinterzog, die richtige Partei wählte, dem Freund den Job verschaffte, Aktien kaufte und wieder verkaufte, mit Währungen spekulierte. Aber glaube ich wirklich an diese Form der Scham? Die Scham setzt den eigentlichen Sinn für Recht- und Unrechtmäßigkeit voraus. Es fällt mir schwer diesbezüglich an Scham zu denken, die Möglichkeit der Scham bei diesen Personen zu denken. Und das Bewusstsein, das Wissen, diese Form der Reflexion, wenn auch unbewusst, zu vermuten. Nein, sie wissen wahrscheinlich gar nicht, was sie da tun, wen sie da berauben, es machen ja sowieso alle. Und wer es nicht macht, der ist dumm, der ist arm, der gehört zur finanziellen und geistigen Unterschicht.
Aber die Kameras, die hohen Mauern, die Angst, die Angst, die Angst. Es ist wohl eher ein unbegreifliches, ungenaues, dumpfes Gefühl, eine Schwingung, die auftaucht, das erste mal in jungen Jahren, ein Schatten, der plötzlich und für Momente alles verdeckt, die Sonne weghält, die soeben noch geschienen hat über/auf die Geldbeträge, über die man sich eben noch gefreut hat. Ein Schatten, der einen plötzlich verstummen lässt, der für einen Moment die Laune verdirbt. Ein ungebetener Gast, der einfach nicht gehen will und vor allem, der einfach so immer wieder kommt. Man weiß nicht genau, wie ihn eigentlich raus schmeißen, er ist unsensibel, störrisch, selbst unmißverständliche Andeutungen helfen nicht, er ist eben kein klares Gegenüber, er ist einfach da. Es ist einfach da – das schlechte Gewissen.
Die Angst und die Zeichen der Angst sind geradezu Herausforderung. Jede Videokamera lässt den Gedanken aufkommen, wie wäre es jetzt, auf diesen Grund und Boden zu gehen, ihn zu besetzen, ihn mir für einen Moment lang zu nehmen wie ein eh schon geschändetes Kind meiner selbst. Wie wäre es, wie würde ich es anstellen, wo steht die nächste Kamera? Ah, wo ist der tote Winkel, der meine Lebendigkeit verbirgt, mein Leben verbirgt, meinen Körper, meine Existenz. Wo ist der tote Winkel im Horizont, im Denken, die Ignoranz meiner Wünsche, meiner Bedürfnisse. Wohin werde ich verbannt, wo ist der Ort des Verdrängten, des von diesem Stück Land Verdrängten, des von unsozialer sozialer Marktwirtschaft an den Rand Gedrängten, des von Großunternehmen Verdrängten, des Nichtsnutz, des Unbrauchbaren, des Einflusslosen, des Respektvollen vor Staatsschulden, desjenigen, der sich Gedanken macht über Pomp und Pump. Pump und Pomp, der den öffentlichen Pomp verschuldeter Staatshauhalte nicht mehr ertragen möchte, der ein schlechtes (Ge)Wissen gegenüber der Unendlichkeit, dem Unendlichen, seinen Kindern und Kindeskindern, gegenüber dem unspezifisch Kommenden, dem Künftigen, der ungewissen Zukunft hat, den der andere Schatten befällt, ein Schatten ohne Gesicht und der sich sagt, so nicht, das geht nicht, das kann ich nicht, das kann ich nicht mit tragen, das kann ich nicht akzeptieren, darüber muss ich reden, das veranlasst mich zum Handeln. Lasst uns handeln, ich werde handeln, DAGEGEN.
zubringer, 15./16. Juli 2010, Pechon /Spanien
1Gruppierte Journalisten solcher, welche sich abgefunden haben, abgefunden mit dem herrschenden System, den Regellungen und Gewohnheiten, ihren Gewohnheiten. Die meinen, diese Gesellschaftsordnung ist immer noch besser als solche, von denen wir im Geschichtsunterricht gehört, in den Geschichtsbüchern gelesen haben. 'Uns geht es da immer noch besser. Wenn ich denke, wie die Menschen damals gelitten haben und wie die DDR herunter gewirtschaftet war. Wir zahlen ja noch immer jeden Monat den Solidaritätsbeitrag im Wert von mindestens 2 Paar guten Schuhen.' Das sind die Journalisten, Kritiker und Weiterdenker, die es sich eingerichtet haben, allzu bequem eingerichtet haben, die sich mit dem System arrangiert haben, ihren Platz eingenommen haben, Teil des Systems geworden sind. Und dieses getroffene Arrangement ist so bequem, da möchte man lieber keine Veränderung. So lebt es sich doch ganz gut. 'Ja stimmt, da hast Du recht, natürlich. Aber das sind doch alles bekannte Probleme, da muss man halt Lösungen für finden...' ...