Generation Cyberspace - Narzissmus und Repräsentation

zubringer, Wien 29. Mai 2010

Wie werden wir bzw. wie werden die früh im Zeitalter des Cyberspace Geborenen und Aufwachsenden später damit umgehen, dass ihre frühe Kindheit, jeder einzelne Lebensabschnitt aller Welt im Internet frei zugänglich dokumentiert sind?

Mit welchen Situationen wird diese Generation umgehen müssen? Wenn bspw. kurz vor der Wahl des Präsidenten oder der Präsidentin aus alten Facebook-Dateien von Vätern und Müttern Videodateien oder Bilder seiner/ihrer ersten Gehversuche zum Gegenwahlkampf und seiner/ihrer wie auch immer gearteten Dekonstruktion missbraucht werden?

Mit welchen Zwängen zur Rechtfertigung wird diese Generation im Rahmen einer Bewerbung rechnen müssen? Welche Kriterien für Auslese-, Auswahl- und Aufnahmeverfahren werden möglich? Welche Materialien zur Aufstellung von Kriterien sind Unternehmen, Jurys und Kuratoren zu Füßen gelegt? Welchem Wissen um Privatleben, Familienverhältnisse und Entwicklung wird der Bewerber begegnen müssen?

Mit einer Negativentwicklung von Urteilsvermögen ist in einer Gesellschaft, angefüllt mit Dogmen, Glaubensrichtungen und Vorurteilen sowie ausgestattet mit Werkzeugen für allumfassende Propaganda jederzeit zu rechnen. Zudem ist jede Information deutbar und kann in Darstellung, Kontextualisierung und Argumentation ge- und mißbraucht werden.

Sprechen wir von dem gläsernen Menschen. Generationen von Säuglingen, deren erster Lichtblick der Welt im Internet dokumentiert ist, werden mit der Veröffentlichung ihnen vielleicht unangenehm oder abträglich erscheinenden Informationsmassen leben und wahrscheinlich sogar dazu Stellung beziehen müssen.

Wie stellen sich schon jetzt Lebenswege noch junger Menschen im Internet dar? Welche Freiheiten werden diesen Generationen gegeben und welche genommen? Wie werden sie später mit der Unachtsamkeit und Unreflektiertheit ihrer Eltern und deren sämtlicher Familienangehörigen im Bedürfnis um Selbstdarstellung und Identifizierung mit und Kommunikation von Geschäftigkeit inkl. Familiengründung, Kindererziehung, letztlich des gesamten Privatlebens umgehen müssen?

Nach nur 6 Jahren Bestehen der Website Facebook beträgt die Anzahl der aktiven Nutzer 400 Millionen Menschen weltweit 1. Das sind bei ca. 6,9 Milliarden2 gerundete 5,8% der Weltbevölkerung. Welche Datenmassen werden hier im Sinne der sozialen Vernetzung und privaten Repräsentation alltäglich erstellt, hoch geladen, gespeichert, gebackupt, runter geladen und wieder neu zur Verfügung gestellt?

Welche Entwicklung wird der gesellschaftliche und durch die Arbeitswelt bedingte Druck zur Selbstdarstellung nehmen? Es drängt sich der Gedanke auf, dass die reale Existenz einer Person weniger eine Frage der Geburts- und Sterbeurkunde sein wird oder schon ist, sondern ob die Welt auf die Frage hin „Was machst Du gerade?“ an ihrem alltäglichen privaten Schmodder weiterhin teilhat oder nicht.

Findet man im Internet zu einer Person keinerlei Information, scheint sie am gesellschaftlichen Leben nicht teilzunehmen, nichts zu sagen zu haben, unpopulär und wohl auch eher uninteressant. Sie wird nicht wahrgenommen, scheint nicht wahrnehmbar zu sein. Man wird nicht mehr weiter über sie nachdenken. Oder aber ist sie under cover, unbekannt, unheimlich, gemeingefährlich? Alle wichtigen Leute, all diejenigen, die etwas erreicht haben oder erreichen wollen sind quasi zur Internetpräsenz gezwungen. Je mehr Sites, je mehr Links, je mehr Klicks um so besser.

Ein Unternehmen ohne Website scheint zum Scheitern verurteilt. Verzichtet es doch auf den virtuellen Umschlagplatz, die Visitenkarte, das Aushängeschild und natürlich das wachsende Heer derjenigen, die zu hause oder im Büro vorm Rechner die elektronische der direkten Kommunikation, den Klick des Bargeldes vorziehen.

zubringer, Wien 29. Mai 2010

1 6 Jahre Facebook, 400 Mio User / facebookmarketing.de / abgerufen am 24. März 2010

2 Weltbevölkerungszähler / umrechnung.org / abgerufen am 29. Mai 2010