Chique, Chick und Chicken

Review by Andreas Fleck


ANOMALIC on may 10th in WUK-Theatre Vienna, photo: Dario Srbic, Lena Linse

Ein breiter, bunter Kleiderhaufen beginnt langsam und gleichmäßig zu „atmen“. Ein Teil dieses Hügels hebt und senkt sich in gleichmäßigem Rhythmus. An einer anderen Stelle bewegt sich ein amorphes Etwas in diesem Durcheinander aus Trainingsjacken, Hosenbeinen und Strickpullovern. Die menschliche Gestalt, die dieses Etwas in Bewegung bringt, ist nur vage zu erahnen. Völlige Deformation. Beulen, Buckel, Geschwüre, formen eine Skulptur aus Stofffetzen und Kleidungsstücken, aus denen sich die Performerin Elisabeth Bakambamba Tambwe Schicht für Schicht schält. Kleidungsblasen, aus denen weitere Stoffe quellen, platzen und legen langsam den Tänzerinnenkörper frei.

Der erste von drei Akten der Tanz-Performance „Anomalic“ von Elisabeth Bakambamba Tambwe, die im Rahmen des Performancefestivals Jacuzzi im WUK zu sehen war, soll eine Alternative zu einer von Medien und Modemagazinen bestimmten Wahrnehmung des (perfekten?) Körpers zeigen. Photoshop und plastische Chirurgie veredeln jede Proportion und schaffen schicke Traummodelle vom Fließband. Für jeden, der es sich leisten kann. Diesen wahnwitzigen Hype von korrigierter Schönheit nimmt Tambwe zum Ausgang ihrer Performance und entwickelt drei Szenarien, die einen möglichen Umgang mit dem eigenen Körper in der heutigen Gesellschaft zeigen.

Im eingangs beschriebenen ersten Teil „Time Is Running or Unformatted Body“ zeigt Tambwe die Alternative zu dieser allgemeinen Schönheitshysterie, indem sie dem Körper kontinuierliche Veränderung zugesteht. Trotz ihrer Unförmigkeit, geht von dieser buckeligen Kleiderskulptur eine faszinierende, für sich stehende Schönheit aus. Wenn im darauffolgenden zweiten Teil „Time Is Frozen or The Formatted Body“ in einem Videoclip (Schnitt: Francois Ntambu) der Mainstream – das Bewahren eines jugendlichen Körpers durch den plastischen Eingriff zu einem schöneren Selbst – mit Hilfe eines gerupften Huhns symbolisiert wird, das von einem hässlichen Entlein in eine heiße „Chick“ mit blonder Perücke verwandelt wird, ist das (an sich) natürlich nicht schön.

Aquaplaning bei „Barbie Girl“

Damit bezieht Tambwe ganz bewusst Stellung und macht deutlich, was sie für gut/schön und falsch/hässlich ansieht. Die Bilder von der Bearbeitung dieses Huhns, dem Straffen der Haut, dem Öffnen des Körpers, daem Entnehmen von Körpermasse erinnern eindeutig an die oft qualvollen Eingriffe an Schönheitsfanatikern aus diversen Reality-Formaten, womit Tambwe auf sehr ironische Weise einen Punkt trifft, der die Bedingungen für diese Schönheit aus dem OP ad absurdum führt.

Diese Prägnanz geht im dritten Teil der Arbeit, „Time In Suspense or Body In Work In Progress“, der sich als Folgerung zwischen den beiden ersten Akten positionieren sollte, etwas verloren. Ziel war es wohl, den Frauenkörper als Objekt sexueller Begierde zu zeigen und zu fragen, wer jetzt wohl verantwortlich dafür sei. Ist es die Frau, die ihren Körper künstlich verändert, um einem Schönheitsideal zu entsprechen, um begehrenswert zu sein und sich damit selbst zum Objekt macht, oder sind es die Medien, die diesen bearbeiteten Körper als sexuell attraktiv inszenieren und ihn damit ebenfalls ausstellen?

Das eine befruchtet wohl das andere, was Tambwe mit dem um ihre Lenden gebundenen Huhn, aus dessen Inneren sie eine blonde Perücke zerrt, veranschaulicht. Schlussendlich konterkariert die in Kinshasa geborene Performerin das Bild des westlichen blond-blauäugig-weißen Schönheitsideals, indem sie sich zu dem grausamen Aqua-Hit „Barbie Girl“, mit blonder Perücke und in hellen Strumpfhosen sowie hellem Oberteil, lasziv tanzend inszeniert. In diesen Momenten kommt sie der diskriminierenden Inszenierung des Frauenkörpers in diversen (Rap-)Musikvideos unangenehm nahe.

http://www.corpusweb.net/chique-chick-und-chicken.html

Here a little Interview within Europamagazin about Vienna in ARD